„Wir brauchen mehr privates Kapital!“
17. Dezember 2021
Die Nachfrage nach gefördertem Wohnraum in den Metropolen ist riesig, das Angebot variiert dagegen – je nach Stadt – zwischen sehr gering und moderat. Parallel dazu haben in den letzten vier Jahren institutionelle Investoren das Segment als Investmentnische entdeckt. Die Renditen sind „gut, aber nicht exorbitant“. Wie funktionieren die verschiedenen Modelle und welche Renditen p.a. sind möglich?
Gefördertes Wohnen hat sich in den letzten beiden Jahren zu einem Investment-Trend entwickelt. Dies war Anlass genug, dem Thema auf der Expo Real 2021 eine Panel-Diskussion zu widmen. Ein Ziel: die verschiedenen Perspektiven des Themas zusammenzubringen. Teilnehmer waren Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer von INDUSTRIA WOHNEN, der die Perspektive eines Fondsinvestors vertrat. Simon Hübner, Vorstand der GBI Wohnungsbau GmbH, stand für die Sicht eines Projektentwicklers. Dr. Heike Piasecki, Prokuristin und Niederlassungsleiterin der bulwiengesa AG, überblickte den Markt und alle Zahlen dazu, und Andreas Tied, Bereichsleiter Immobilien- und Stadtentwicklung, Investitionsbank Berlin, schilderte die Wahrnehmung der staatlichen Förderstellen.
Zunächst gab Ahlborn eine kurze Einführung: „Wir erleben in den letzten 15 Jahren in den Ballungsräumen eine dramatische Entwicklung. Ein Großteil der Bevölkerung kann sich dort normales Wohnen nicht mehr leisten. Die Kaufpreise und Mieten steigen seit mehr als einer Dekade stark. Das betrifft nicht nur die Metropolregionen, sondern mittlerweile auch die C- und D-Städte.“ Verschärft werde die Situation noch dadurch, dass zwischen 2006 und 2019 eine Million Sozialwohnungen aus der Bindung herausgefallen sind. Diese könnten nun frei finanziert und vermietet werden. Im Gegenzug seien gerade einmal rund 200.000 Sozialwohnungen gebaut worden. „Das ist eine enorme Diskrepanz. Folgende zwei Zahlen verdeutlichen das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage deutlich: Rund ein Drittel der Bevölkerung hat Anspruch auf eine Sozialwohnung bzw. einen Wohnberechtigungsschein (WBS), aber nur rund sechs Prozent des Mietwohnungsbestandes sind Sozialwohnungen“, so Ahlborn.
Sozialwohnungen und gefördertes Wohnen ist nicht das Gleiche
Wie werden sozialer Wohnungsbau und gefördertes Wohnen voneinander abgegrenzt? Hübner sagt dazu: „Sozialer Wohnungsbau ist ein Begriff aus einer vergangenen Zeit. Man sah es den Immobilien oft bereits von außen an. In der Regel wurden sie von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften realisiert. Gefördertes Wohnen ist dagegen vielfältiger und richtet sich an eine größere Zielgruppe. In Bayern sind beispielsweise knapp 50 Prozent der Bevölkerung förderberechtigt.“ Dr. Piasecki ergänzt: „Der Hauptunterschied zwischen Sozialwohnungen und gefördertem Wohnen ist der Wohnberechtigungsschein. Diesen gibt es nur bei Sozialwohnungen. Die Gruppe der WBS- Berechtigten ist deutlich kleiner als die derjenigen, die Anspruch auf gefördertes Wohnen haben.“
Bauliche Unterschiede sind marginal
„Baulich sieht man heute ohnehin kaum noch Unterschiede zwischen dem geförderten und dem frei finanzierten Wohnungsbau“, betont Hübner. „Zu den wenigen Unterschieden, die es noch gibt, gehört, dass wir beim geförderten Wohnen kein Parkett, sondern Vinylboden verbauen und dass die Gegensprechanlage ohne Videokamera ist. Kurz gesagt: Die Unterschiede sind marginal.“
Zu Bedarf und Angebot kursieren unterschiedliche Zahlen. Auf die Frage nach dem Bedarf in Deutschland sagt Dr. Piasecki: „Das muss regionalisiert betrachtet werden. Das Pestel Institut hat einen Bedarf von sechs Millionen Sozialwohnungen ermittelt. Bulwiengesa hat Anfang 2021 eine Analyse der sieben A- und 20 B-Standorte gemacht. Ergebnis: Bei ungefähr 9,7 Prozent aller Mietwohnungen handelt es sich um geförderte Wohnungen. Aber es gibt große regionale Unterschiede. Beispielsweise haben die sächsischen Metropolen Leipzig und Dresden sehr viele Bestände verkauft. Dort bewegt sich der Anteil im Ein-Prozent-Bereich. In Hamburg hingegen sind 14,5 Prozent aller Mietwohnungen dem geförderten Wohnen zuzurechnen.“
In Berlin ist der Bedarf besonders hoch
Während die Situation in Hamburg also vergleichsweise günstig ist, hat sie sich in Berlin eher verschlechtert. Tied führt aus: „Die Nachfrage nach Wohnungen ist riesig. Wir haben seit 2014 eine neue Wohnungsbauförderung. Bis dahin war der Wohnungsmarkt der Hauptstadt ausgeglichen. Das hat sich dramatisch geändert. In den letzten Jahren kamen pro Jahr 40.000 neue Einwohner in der Stadt. Zwar ist auch die Zahl der Baugenehmigungen von 10.000 p.a. auf 25.000 Wohnungen gestiegen. Aber aussagekräftiger sind die Fertigstellungen: 2019 wurden 19.000 Wohnungen fertiggestellt, 2020 waren es 16.300. Das sind alle Wohnungen – also inklusive der frei finanzierten. Die Landespolitik fokussiert sich stark auf die sieben städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Diese haben aber in Summe nur 1.000 Wohnungen pro Gesellschaft im Jahr gebaut.“
Viele Wohnungen fallen in Berlin jedes Jahr aus der Sozialbindung
Wie im Bundesschnitt hätten auch in Berlin 30 Prozent der Bevölkerung Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, so Tied. Das wären rein rechnerisch 650.000 Berechtigte. Es gebe in der Stadt aber nur 65.000 Wohnberechtigungsschein-Inhaber. Diesen stünden 90.000 Wohnungen gegenüber, die für sie in Frage kämen. Davon seien aber auch viele an Mieter vermietet, die keine Berechtigung mehr haben. Tied weiter: „Viele Wohnungen fallen zudem sukzessive aus der Bindung heraus. Das betrifft von den genannten 90.000 Wohnungen jedes Jahr 2.000 bis 5.000. Das ist ein gewaltiger Aderlass und konterkariert das Ziel, die Zahl der Sozialwohnungen in der Stadt bei 100.000 zu halten.“
Alle Fördermodelle kompensieren die niedrigen Mieten
Wie sehen die Fördermodelle nun aus? Ahlborn betont zunächst, dass es in Deutschland über 150 Fördermodelle gibt – vom Bund, von den Ländern und den Kommunen. Eine Herausforderung sei die parallele Existenz von mehreren Förderungen, ohne dass die Akteure auf Seiten des Staates miteinander redeten.
Ahlborn weiter: „Grundsätzlich ist die Miete beim geförderten Wohnen unterhalb der Marktmiete fixiert – beispielsweise bei 6,5 Euro pro Quadratmeter und Monat. Allen Modellen ist gemein, dass dies über verschiedene Mechanismen kompensiert wird. Dies sind Darlehen mit 30 Jahren Laufzeit und Nullzinsen, Baukostenzuschüsse, Tilgungszuschüsse oder Mietzuschüsse. Bei Letzteren wird beispielsweise eine Miete, die auf 6,5 Euro pro Quadratmeter und Monat fixiert ist, von der Förderstelle um drei Euro aufgestockt.“ Des Weiteren betont Ahlborn, dass bei den Baukosten- und den Tilgungszuschüssen der Zeitpunkt sehr wichtig sei für die Kalkulation. Baukostenzuschüsse kämen beispielsweise bei Fertigstellung, Tilgungszuschüsse dagegen häufig deutlich später.
Verknüpfung von gefördertem Wohnen mit Umweltvorgaben nicht zielführend
Probleme sieht Ahlborn bei Modellen, in denen bezahlbare Mieten mit hohen energetischen Standards – beispielsweise dem Passivhaus-Standard – verbunden würden. „Das rechnet sich nicht, da die energetischen Vorgaben das Bauen stark verteuern.“ Als positives Beispiel hebt er das Fördermodell des Landes Baden-Württemberg hervor. Die Zuschüsse seien relativ hoch. „Wenn wir das in die Kalkulation eingeben, dann funktioniert das auch für institutionelle Investoren“, so Ahlborn.
Eine weitere Herausforderung sei die geografische Zersplitterung bei der Förderung, sagt Dr. Piasecki. „Nicht nur die Modelle, auch die Produkte unterscheiden sich. In einigen Bundesländern sind Einraumwohnungen mit 35 Quadratmetern, in anderen dagegen mit 50 Quadratmetern förderfähig. Auch das Thema Barrierefreiheit ist überall anders geregelt. Das macht es für bundesweit tätige Entwickler und Investoren schwierig.“
Renditen nicht exorbitant hoch, aber gut – vor allem für langfristige Investoren
Eine wichtige Frage für alle Investoren ist die nach der Rendite. Dazu sagt Tied: „Wenn man es schafft, die Förderung und die Baukosten in Einklang zu bringen, kann man durchaus gute Renditen erwirtschaften. Diese sind nicht exorbitant hoch, aber für Pensionskassen und Stiftungen ausreichend, da diese in Zeiträumen von mehreren Dekaden denken.“
Zu den Ausschüttungsrenditen, die Institutionelle erwarten können, sagt Hübner: „Das muss man differenziert betrachten. Die Rendite in München ist natürlich niedriger als auf dem platten Land. Es hängt auch von der Struktur des Investors ab, beispielsweise ob er direkt kauft oder über einen Fonds. Meiner Meinung nach sind vier Prozent Ausschüttungsrendite p.a. hochgegriffen, wir sind derzeit eher bei drei Prozent p.a.“ Ahlborn ergänzt: Die Renditen sinken seit geraumer Zeit. Wir sehen, dass wir mit 3,5 Prozent p.a. noch Eigenkapital einwerben können. Der Unterschied zum frei finanzierten Wohnungsbau ist nicht mehr hoch. Die Renditen sind dort circa. 25 bis 50 Basispunkte höher.“
Als Grund für die Hinwendung der institutionellen Investoren zum geförderten Wohnen sieht Ahlborn vor allem die fehlenden Anlagealternativen. „Gefördertes Wohnen ist eine relativ neue Produktsparte mit noch sichereren Mieten und stabiler Wertentwicklung. Vor wenigen Jahren war gefördertes Wohnen für viele Anleger eine kleinere Beimischung. Das hat sich aus unserer Sicht vollständig verändert. Heute wollen Anleger einen Anteil von 30 bis 40 Prozent gefördertes Wohnen in einem Fonds.“
Hübner sieht den Wandel der letzten Jahre ähnlich: „2015 wollte den geförderten Wohnungsbau niemand kaufen. Heute könnten wir jedes Projekt zehnmal verkaufen.“
Fazit: Wir brauchen mehr privates Kapital im Segment gefördertes Wohnen
Lange Zeit waren die Hauptakteure im Segment gefördertes Wohnen die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Sie nehmen auch heute noch den größeren Teil der Förderungen in Anspruch. Seit wenigen Jahren drängen zunehmend nicht-staatliche institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerke in diese Nische. „Das ist zu begrüßen“, sagt Ahlborn. Und weiter: „Unser Ziel ist es, noch mehr privates Kapital zu mobilisieren. Es ist in diesem Segment sicher investiert und leistet zugleich einen wichtigen Beitrag, ein großes gesellschaftliches Problem zu lösen – nämlich die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit bezahlbarem Wohnraum.“